ANME-Info: Kurzer Blick auf den historischen Hintergrund des Heilpraktikerberufes in Deutschland
von Nora Laubstein
Die Erfahrungsheilkunde und Traditionelle Medizin hat eine Jahrtausend alte Geschichte und wird bis heute in allen Kulturen im Sinne eines Immateriellen Kulturerbes ausgeübt. Beispielhaft seien hier die traditionelle chinesische Medizin (TCM), das „Wissen vom Leben“ (Ayurveda) aus Indien, der Schamanimus in Sibirien, am Amazonas und bei den Inuit im Eismeer, und nicht zuletzt das Heilwissen der Aborigines in Australien genannt.
Im mitteleuropäischen Kulturkreis ist diese Tradition von Hippokrates, Galen über Hildegard von Bingen, dem großen Paracelsus bis zu Pfarrer Kneipp, Pastor Felke, Rudolf Steiner und vielen anderen bekannten Vertretern der modernen Erfahrungsheilkunde und Traditionellen Medizin lebendig.
Erstmals wurde in Europa 1241 n. Chr. durch Kaiser Friedrich II das Edikt von Salerno als Medizinalordnung erlassen, die Ausbildung, Prüfung und Bezahlung eines Arztes regelte. Karl der IV. gründete 1348 in Prag die erste deutsche Universität, die auch über eine medizinische Fakultät verfügte. Ansonsten waren in Deutschland Erfahrungs- und Laienheilkunde traditionell verbreitet.
1851 | Das Königreich Preußen erließ das „Kurierverbot“ für alle diejenigen, die keine universitäre Approbation besaßen |
1852 | Schließung der Chirurgenschulen in Preußen |
1863 | Ausgabe No1 „Der Naturarzt“ in Dresden |
1867 | Gründung des Norddeutschen Bundes |
1869 | Mit der Verabschiedung der neuen Gewerbeordnung wurde die Regelung des Kurierverbots im Norddeutschen Bund zu Gunsten einer „allgemeinen Kurierfreiheit“ aufgehoben. Damit wurden die nicht-approbierten Medizinalpersonen vom Staats-und Kommunaldienst ausgeschlossen. |
1871 | Gründung des Deutschen Reiches und Übernahme der Rechtsprechung |
1876 | Die Zahl der „nicht bestallten Heilbehandler“ beträgt 670 |
1909 | In Deutschland ist die Anzahl auf 4468 Heilpraktiker angestiegen |
1920 | Der „Verein der Heilkundigen Deutschlands“ wurde gegründet, der sich 1928 in Essen zum „Großverband der Heilpraktiker Deutschlands“ entwickelte |
1931 | Zweiundzwanzig Heilpraktikerbunde hatten sich gegen Ende der Weimarer Republik etabliert |
1933 | Das national-sozialistische Reichsministerium des Innern zwang die Verbände sich dem „Heilpraktikerbund Deutschlands-Reichsverband“ anzugliedern. Die Mitgliedschaft und die Aus-und Weiterbildung wurden straff reglementiert. Es erschien erstmals die Verbandszeitschrift „Der Heilpraktiker“ |
1936 | Der Heilpraktiker wurde als freier Beruf anerkannt und erhielt die Befreiung von der Umsatzsteuer |
1939 | Am 17. Februar wurde das Heilpraktikergesetz (HeilprG) mit seiner Ersten Durchführungsverordnung (1. DVO) verkündet, mit dem es für neue Antragsteller nur in besonders zu begründeten Ausnahmen zur Erlaubniserteilung kam und Heilpraktikerschulen verboten wurden. Am 12. Mai erhielt der „Heilpraktikerbund Deutschlands – Reichsverband“ den Namen „Deutsche Heilpraktikerschaft“ mit Sitz in Berlin. Vom 19. bis 21. Mai fand die 1. Reichstagung der Deutschen Heilpraktikerschaft statt |
1943 | Die erweiterte zweite Durchführungsverordnung (2. DVO) verbot auch die Weiterbildung, z.B. alle Fachfortbildungen. (Bemerkung dazu: Diese gesetzliche Situation blieb für beide deutschen Staaten auch nach dem Ende des zweiten Weltkrieges bestehen. Im Gegensatz zur BRD ließ die DDR das Gesetz unverändert und dies führte fast zum völligen Aussterben der Heilpraktiker: 1989 gab es nur noch 11 alte Heilpraktiker! ) |
1947 | Im westlichen Deutschland wurde die „Deutsche Heilpraktikerschaft“ neu gegründet |
1949 | Offizielle Teilung Deutschlands in BRD und DDR |
1952 | In der BRD wurde das Heilpraktikergesetz in der geänderten Neufassung, die noch heute Gültigkeit besitzt, verabschiedet, sodass die Aus- und Weiterbildung für Heilpraktiker eine Selbstverständlichkeit geworden ist |
1985 | Gebührenordnung für Heilpraktiker- GebüH |
1993 | Heilpraktiker für Psychotherapie |
2014 | sektoraler Heilpraktiker für Physiotherapie, der bei der Ausübung der Heilkunde auf die Fähigkeiten aus seinem „Grundberuf“ beschränkt ist |
2017 | Bundesweit gültige Heilpraktikerüberprüfungsleitlinie des BGM |
2018 | Änderung der 1.DVO |
Heute haben sich die HeilpraktikerInnen in über fünfzig verschiedenen Berufsverbänden und Fachgesellschaften zusammengeschlossen. Innerhalb der letzten 50 Jahre wurden die klassischen Gebiete der Naturheilkunde durch Innovation und interkulturellen Austausch mit Asien, Amerika und Afrika enorm erweitert, sodass der Heilpraktikerberuf heute ein weltweites Ansehen genießt.
Die HeilpraktikerInnen arbeiten heute auf der Grundlage einer umfangreichen Gesetzgebung, deren Beachtung an erster Stelle steht (siehe dazu: Union Deutscher Heilpraktiker / Heilpraktiker als Beruf / Gesetzestexte)
Im interdisziplinären Austausch mit konventioneller Medizin und akademischer Forschung stellt der Heilpraktiker heute das Bindeglied zum traditionellen Heilkulturerbe aller Menschen dar. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes gab es im Jahre 2018 circa 41.000 Heilpraktikerpraxen in Deutschland.
Quelle: „Die Geschichte des Heilpraktikerberufs“ - Janine Freder / Verlag Volksheilkunde