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...für eine naturgemäße Gesundheitsförderung in Europa!

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Quantenheilung – Superplacebo? Selbstheilung? Oder was?


von Prof. Dr. Dr. Harald Walach , Leiter des Instituts für transkulturelle Gesundheitswissenschaften (IntraG) an der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder)

Alles, was heutzutage nicht so einfach erklärbar ist, reklamiert für sich die Beschreibung „Quanten-“ irgendwas. Das ist keine so gute Idee, finde ich, denn es suggeriert Wissen, Erkenntnis und Segnungen aus der Gralsburg der Wissenschaft, der Quantentheorie. Aber so sind die Leute halt, und bestimmte Dinge kommen denn eben mit dem Etikett „Quanten-“ daher, bei denen man keinerlei Ahnung hat, was eigentlich drin steckt.

So ist es auch mit der Quantenheilung, die von Manuela Pietza im Rahmen einer Promotion bei uns untersucht wurde (online unter http://opus.kobv.de/euv/volltexte/2014/94/pdf/Wirksamkeitsstudie_Quantenheilung.pdf publiziert; wir werden die Arbeit auch in Kürze in der begutachteten wissenschaftlichen Literatur publizieren). Kurz vor der Sommerpause hat sie sie verteidigt, und ich dachte, es ist vielleicht auch für einen breiteren Kreis interessant.

Was verbirgt sich hinter der „Quantenheilung“? Es ist ein Verfahren, das sich, wie viele analoge auch, der relativ neuen Richtung der „energy psychology“ zurechnet, über die es mittlerweile eine ganze Reihe von Wirksamkeitsstudien gibt [1]. Sie alle zeigen: irgendwas funktioniert hier anscheinend. Die Verfahren selber sind extrem heterogen. Drei Gemeinsamkeiten verbindet sie:

1) Patienten werden angehalten, irgend eine problematische Situation – ein Trauma, ein Gefühl, das ihnen Schwierigkeiten bereitet, eine körperliche Beeinträchtigung – mental zu aktivieren, im Körper zu spüren und dann

2) durch ein anderes Bild, das eine Lösung des Problems darstellt zu ersetzen. Dazu kommt meistens

3) irgend eine körperliche Verankerung durch den Therapeuten. Das bedeutet, z.B. bei der ursprünglichen Methode, dass der Therapeut irgendwelche Punkte beklopft, die als „Akupunkturpunkte“ oder „Stimulationspunkte“ intendiert sind und deren Aktivierung eine Veränderung der Energiebalance im Organismus bewirken sollen.

Soweit also die Theorie. Man könnte sie auch so rekonstruieren: Der Therapeut setzt sich mit dem Patienten in eine wohlwollende Beziehung. Der Patient denkt erst an sein Problem, dann an eine mögliche Lösung. Der Therapeut, und mit ihm der Patient oder die Patientin, glaubt an die Gültigkeit der Theorie und der Lösung und – schwupps – verschwindet das Problem.

Mindestens ist das die Idee. Und der oben zitierte Review [1] suggeriert auch, dass das offenbar ganz gut funktioniert.

Der Unterschied zwischen „Quantenheilung“ (QH) und den anderen, älteren Verfahren der „energy psychology“ besteht darin, dass bei QH in der Regel nur eine, relativ kurze Sitzung stattfindet, und nichts beklopft wird, sondern der Patient instruiert wird, sich genauso wie der Therapeut die bereits erfolgte Heilung vorzustellen. Dabei werden zwei Punkte am Körper berührt oder auch nur in der Nähe des Patienten. Der Patient wird angehalten, diese Übung des sich Vorstellens der Heilung und der Berührung von zwei Punkten auch Zuhause weiter zu machen, um den Prozess zu verankern.

Das Entscheidende ist das Vorstellen des Zielresultats, also der Heilung, als bereits erfolgt. Jedenfalls will es so die Theorie.

Manuela Pietza hat nun untersucht, ob das auch funktioniert. Ganz pragmatisch, aber methodisch sauber. Wohlgemerkt: Sie hat nicht untersucht, ob das wirklich was mit „Quanten“ zu tun hat, sondern ob dieses therapeutische Verfahren in der Praxis funktioniert und wie groß die Effekte sind. Sie hat sich dazu folgender Situation bedient: In ihrer Heimatstadt warten Patienten im Versorgungssystem der GKV oft bis zu einem halben Jahr auf einen freien Psychotherapieplatz. Dazwischen ist nichts, außer Warten. Also sagte sie sich: bieten wir den Leuten doch QH an und schauen, ob es Ihnen hilft. Eine einzige Sitzung pro Patient, bei gelernten QH-Therapeutinnen, die sie aus eigener Tasche bezahlt hat. Sie selber ist keine QH-Therapeutin und hat nur, aus Neugier, die Forschung dazu gemacht.

Damit es methodisch sauber ist, hat sie die Patienten per Zufallsverfahren in zwei Gruppen geteilt: eine Gruppe musste weiterhin warten, eine erhielt die Therapie. Gemessen wurde vor der Behandlung, zwei Tage später und nach weiteren drei Monaten. Um das Design, die Messinstrumente und die Studie planen zu können, führte sie eine Vorstudie durch und eine Beobachtungsstudie in einem Seminar über Quantenheilung. Das Interessante an der Studie war, dass es sich um Patienten gehandelt hat, die alle eine Psychotherapie- und Behandlungs-Indikation hatten, meistens affektive Störungen, Depressionen, Ängste, sowie chronifizierte Schmerzsyndrome. Weil die Stichprobe heterogen war, verwendete sie eine Reihe von aufeinander abgestimmten Messinstrumenten:

  • eine Skala, die individuell auszufüllen ist und die Verbesserung des individuellen Symptomenbildes erfasst, die sog. MYMOP („measure your medical outcome profile“), einem mittlerweile oft verwendeten Instrument der individuellen
  • eine allgemein eingesetzte psychiatrische Skala, das Brief Symptom Inventory (BSI)
  • den Berner Fragebogen zum Wohlbefinden und
  • die EQ-5D Analogskala zum aktuellen Gesundheitszustand

In der Hauptstudie teilte sie 127 Patienten per Zufall in zwei Gruppen ein, 58 erhielten die Behandlung, 69 waren in der Kontrollgruppe. Vier Personen aus der Behandlungsgruppe brachen die Behandlung ab und die restlichen 54 lieferten verwertbare Daten.

Die Gruppen waren zu Beginn gut vergleichbar, was es auch erlaubt, allfällige Veränderungen nach der Beobachtungszeit mit der Intervention in Verbindung zu bringen.

Die Ergebnisse, kurz gesagt, sind erstaunlich: in allen Skalen zeigen sich nicht nur hochsignifikante Unterschiede, sondern auch starke Effektgrössen: etwa 1-2 Standardabweichungen Unterschiede in den MYMOP-Skalen, 2 Standardabweichungen Unterschiede im allgemeinen Gesundheitszustand, 1 Standardabweichung Unterschied in der psychischen Befindlichkeit und etwa 0.9 Standardabweichungen Unterschied in der Somatisierungskala, die auch Schmerzen erfasst. Die Hauptstudie bestätigt somit die Ergebnisse der Pilotstudie.

Das ist, gelinde gesagt, verblüffend. Man muss nämlich wissen: andere, als wirksam eingestufte Verfahren, etwa die Hypnotherapie oder Verhaltenstherapie, erreichen, oft erst nach einer Reihe von Sitzungen, in der Regel Effektgrössen von 0.7-0.9 Standardabweichungen, gemessen mit den gleichen oder ähnlichen Verfahren, selten mehr als eine Standardabweichung Unterschied.

Man muss auch wissen: NICE, der englische Regulator, verlangt eine halbe Standardabweichung Verbesserung von Antidepressiva gegenüber Placebo. Nun gut: hier ist kein Placebo eingesetzt, und vielleicht untersuchen wir ja ein gigantisches Placebo. Aber in Meta-Analysen von Psychopharmaka erreichen diese, wenn man ihre Effekte von vorher zu nachher untersucht, Pharmakologie und Placebo-Effekt eingeschlossen, etwa genauso große Effekte wie hier und Placebo selber geringere [2]. Und für mich ist das Verblüffendste: das alles nach einer Sitzung von ca. 20 Minuten.

Was passiert hier eigentlich? Irrtümer können wir ausschließen. Die Arbeit war organisatorisch sauber und das Studiendesign konservativ und robust; Standard-Evaluationen in der Praxis sehen oft so aus. Es wurden auch keine Instrumente verwendet, die besonders bekannt dafür sind, dass sie gleich beim erst besten Huster riesige Effekte erzeugen, eher das Gegenteil. Da Therapie und Evaluation getrennt waren, ist es auch nicht sehr plausibel zu vermuten, die Patienten wollten ihren Therapeutinnen etwas Gutes tun und hätten drum gelogen. Vermutlich ist eine kleine Überschätzung in diesen Daten, wie so oft in Fragebogen-gestützter Forschung.

Aber das erklärt nicht die Größe des Effekts. Was dann?

Ich sehe folgende Möglichkeiten:

1) Das Ganze ist ein Superplacebo. Na dann, aber nichts wie in die Grundversorgung, würde ich sagen! Wenn man mit 20 Minuten Therapie behandlungsbedürftige Patienten relativ nachhaltig – immerhin hielt der Effekt 3 Monate – so stark bessern kann, dann sollte man das zum einen weiter untersuchen und zum anderen anbieten, wenn es untersucht ist. Wenn man wissen will, ob es nun ein Placebo ist oder nicht, könnte man allenfalls eine kontrollierte Studie anschließen, bei denen die Therapeuten im Kopf was anderes denken. Aber ob das plausibel ist? Schließlich wollen die Patienten einfach geheilt werden, Placebo hin oder her.

2) Irgendwie hilft hier anscheinend die Intention – beim Patienten, beim Therapeuten, bei beiden. Immerhin ist die Instruktion „sich die Heilung als erfolgt“ vorzustellen. Vielleicht sollten wir das einfach mal öfter ausprobieren. Vielleicht wäre dann manches leichter? Vielleicht sollte man genau diese Komponente des Bewusstseins noch ausführlicher untersuchen?

3) Vielleicht ist das Selbstheilung in Reinform? Dann wäre es doch phänomenal. Man müsste versuchen herauszukriegen, warum das hier so rasch funktioniert und nicht, z.B., beim Lesen eines Selbsthilfebuches, in dem ja oft ähnliche Dinge drin stehen, wie das, was die Therapeuten hier sagen. Was ist der Schlüssel? Die Beziehung?

4) Vielleicht macht es ja was aus, dass das Ganze als „Quanten-“ verkauft wird. Das suggeriert, Tiefe, Mächtigkeit, wissenschaftliche Dignität, solide Theorie. Und möglicherweise braucht man eine solche „Theorie“ um die entsprechenden Glaubenshaltungen bei Therapeuten und Patienten zu mobilisieren. Dann müsste man in einer Folgestudie einfach mal untersuchen, was passiert, wenn man exakt das gleiche macht, aber es als „2D-Rapid-Therapie“ oder sowas verkauft. Die Tatsache, dass Ted Kaptchuk und seine Gruppe vor Kurzem eine Studie vorgestellt haben, bei der offenes Placebo fast genauso wirksam ist wie ein Medikament, das als Placebo verkauft wurde [3], zeigt, dass es eigentlich ziemlich egal ist, ob man Patienten eine plausible oder eine weniger plausible Theorie anbietet, aber man müsste es mal ausprobieren.

5) Vielleicht ist es nur ein kurzer Hype? Das wird sich zeigen, wenn man die Sache ausführlicher untersucht.

Inzwischen sollten wir vielleicht einfach erstaunt zur Kenntnis nehmen, was es alles für Dinge gibt. Ich jedenfalls hätte nicht gedacht, dass Frau Pietza einen so großen Effekt zu Tage holt. Sie auch nicht. Vielleicht ist das das Geheimnis? Einfach offen hinschauen? Oder hat sie am Ende auch ihr Ergebnis durch die Vorstellung wie es denn am besten sein sollte, per geistigem Knopfdruck erzeugt? Autsch, dann hätten wir mit unserer ganzen Forschung schlechte Karten. Denn haufenweise Leute, auf der ganzen Welt, die sich tolle Ergebnisse oder Preise wünschen, wenden diese Strategie an. Dann könnten wir uns auch kaum mehr auf irgendwas verlassen. Also muss es vielleicht doch noch einen Trick geben? Vielleicht die Beziehung zwischen den Menschen, die das kleine Wunder bewirkt?

Quellen

[1] Feinstein, D. (2012). Acupoint stimulation in treating psychological disorders: Evidence of efficacy. Review of General Psychology, 16, 364-380.
[2] Rief, W., Nestoriuc, Y., Weiss, S., Welzel, E., Barsky, A. J., & Hofmann, S. G. (2009). Meta-analysis of the placebo response in antidepressant trials. Journal of Affective Disorders, 118, 1-8.
[3] Kam-Hansen, S., Jakubowski, M., Kelley, J. M., Kirsch, I., Hoaglin, D. C., Kaptchuk, T. J., et al. (2014). Altered placebo and drug labeling changes the outcome of episodic migraine attacks. Science Translational Medicine, 6, 218ra215.