Probiotika – Arzneimittel mit Bakterien
von Dr. Uwe Peters
Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht auf den Zusammenhang von Darmbakterien und verschiedenen chronischen Erkrankungen verwiesen wird. Aber viele Informationen bringen mehr Ungewissheit als Klarheit in den therapeutischen Alltag. Dazu kommen nationale und EU-Regularien, die es den Herstellern besonders schwermachen, bewährte Präparate weiterhin auf dem Markt zu halten.
Wichtig für den Therapeuten:
Viele Produkte mit Milchsäurebakterien sind Nahrungsergänzungsmittel, Medizinprodukte oder diätetische Lebensmittel. Für die Laktobazillen hat die EU seinerzeit keine sogenannten „Health Claims“(= gesundheitsbezogene Angaben) zugelassen.
Bedauerlich auf der einen Seite – denn zahlreiche seriöse Arzneimittelhersteller bieten gut dokumentierte Produkte an, die sich zum Teil Jahrzehnte lang bewährt haben. Verständlich auf der anderen Seite – denn mit markigen Werbesprüchen und Namensgebungen werden Erwartungen geweckt, die nicht erfüllt werden können. Milchsäurebakterien sollen Stress, Migräne, oder gar Parkinson heilen. Das geht eindeutig zu weit!
Zur gesetzlichen Problematik:
Es wäre gut, wenn seriöse Produkte die Chance hätten einen Arzneimittelstatus zu erlangen. Dazu müssten sie in Deutschland offiziell in die Kategorie der Arzneimittel der „Besonderen Therapierichtungen“ fallen. Am ehesten würden sie hier zu den Phytotherapeutika passen. Ziel sollte es sein, solange die Kommission C noch existiert, die Probiotika hier aufzunehmen. Eine Aufgabe, die von interessierten Verbänden endlich einmal übernommen werden müsste...
Ähnlich problematische Regelungen gibt es auf der europäischen Ebene – auch hier müssen die probiotischen Arzneimittel möglichst schnell unter das Dach der „Besonderen Therapierichtungen“(THMPD?) gebracht werden.
Wenn weiterhin nichts geschieht, kann sich der folgende Fall des Präparates „Symbioflor 2“ wiederholen: Hier hatte 2016 die EMA (Europäische Arzneimittelbehörde) eine Überprüfung des seit 1954 sicher am Markt vertretenen Medikaments angeordnet. Normalerweise finden diese Überprüfungen statt, wenn sich Anhaltspunkte für Risiken in der Arzneimittelsicherheit vorliegen. Das war hier nicht der Fall. Was wirklich hinter der Überprüfung steckte, ist bis heute unklar. Fest steht jedoch, dass eine solche Maßnahme ohne Verdachtsmomente eher unüblich ist! Es war ein aufwendiger „Kampf“ und wir können alle froh sein, dass sich dieses Arzneimittel erfolgreich behaupten konnte. Mit einem Arzneimittel der „Besonderen Therapierichtungen“ wäre ein solches Verfahren deutlich einfacher gewesen. Dieser Fall zeigt erneut, dass hier dringender Handlungsbedarf besteht.
Detaillierte Infos unter: The European Medicines Agency (EMA)
Eine weitere Herausforderung:
Probiotische Arzneimittel die traditionell seit 100 Jahren (E. coli Nissle) im Gebrauch sind, werden heute an Richtlinien gemessen, die für neuartige biotechnologische und gentechnische Produkte gedacht sind. Ein Beispiel hierzu ist die Erstellung einer europäischen Monographie mit speziellen Herstellungsanforderungen (siehe: Live Biotherapeutic Products For Human Use „Producta biotherapeutica viva ad usum humanum“, 2.6.36: Microbiological Examination of Live Biotherapeutic Products: Tests for Enumeration of Microbial Contaminants und 2.6.38: Microbiological Examination of Live Biotherapeutic Products: Tests for specified Micro-Organisms)
Es ist eine spannende Zeit! Arzneimittel, die Bakterien enthalten, sind seit den 50ger Jahren ein fester Bestandteil der naturheilkundlichen Praxis. Eine Mikrobiologische Therapie ist mehr als nur der Einsatz dieser Arzneimittel. Sie ist ein Konzept zur Behandlung aller Erkrankungen, die im weitesten Sinne mit der Schleimhaut und dem Schleimhautantikörper sIgA zusammenhängen. Mittlerweile hat sich eine gut ausgearbeitete Diagnostik der Darmbakterien nach Funktion und Metabolismus etabliert. Das Behandlungskonzept umfasst weitaus mehr Indikationen, als die Zulassung der Arzneimittel hergibt. Bewährt, sicher und auf einer großen Erfahrungsgrundlage. Wer hier beitragen möchte diesen Wissensschatz zu bewahren und zu erweitern, der sollte sich am Vademecum der deutschen Hufelandgesellschaft beteiligen - auf den Flyer „Dateneingabe“ klicken und sich mit Doc-Check einloggen.
Zukunft mitgestalten:
Probiotische Arzneimittel – ein naturheilkundliches Konzept bekommt wissenschaftliche Wurzeln. Für die Zukunft brauchen wir aktive Nutzer und starke Verbände, die die Mikrobiologische Therapie unter den „Besonderen Therapierichtungen“ fest verankern.
Fachinformationen über den Arbeitskreis für Mikrobiologische Therapie e.V. (AMT), der ein eigenes Curriculum zur Mikrobiologischen Therapie durchführt finden Sie unter: Arbeitskreis für Mikrobiologische Therapie - AMT e.V.