Gesundheit und Kunst
Die Rolle der Künste und der Kunsttherapiemethoden in der Traditionellen und Komplementären Medizin und Naturheilkunde
Im Dezember 2022 trafen sich im Opernhaus von Budapest eine Runde von Experten. Auf Einladung der WHO-Europaregion sollten Akademiker, NGO-Vertreter, Politiker der Nationalstaaten und WHO-Mitarbeiterinnen vorrangige Aktivitäten zur Stärkung von gemeinsamen Schnittstellen von Kunst und Gesundheit herausfinden. In erster Linie ging es darum Präventionsmaßnahmen für den Bereich der nicht-übertragbaren Krankheiten (NCD) zu identifizieren. Daher sprachen sich die Experten für „Kunstinterventionen“, also kunstbasierte Aktivitäten aus. Diese seien „multimodal, mit psychologischen, verhaltensbezogenen und sozialen Auswirkungen, können in risikoarmen, kostengünstigen Initiativen durchgeführt werden und können Gesundheit und Wohlbefinden erheblich verbessern“. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer diskutierten zwei Tage lang Möglichkeiten zur Unterstützung dieser Prioritäten, wie den Aufbau von Kapazitäten, thematischen Schwerpunkten, Finanzierungs- und Gestaltungsüberlegungen.
Diese Überlegungen und der Abschlussbericht dieser Sitzungen liegen in englischer Sprache vor https://iris.who.int/handle/10665/373900?locale-attribute=de&
Was könnte dies für eine naturgemäße Gesundheitsförderung und die Traditionelle und komplementäre Medizin (T&CM) bedeuten?
Von Nora Laubstein
Aus ganzheitlicher Sicht ist diese Entwicklung innerhalb der WHO-Europa erst einmal zu begrüßen! Jeder Mensch ist phantasiebegabt und von Kindesbeinen an kreativ veranlagt. Auf Situationen und Eindrücke zu reagieren, in Resonanz zu treten, ist durch und durch gesund und fördert das individuelle Selbst. Gemäß dem kulturellen Erbe einer Region oder Gemeinschaft bildet sich Kunst heraus. Die Kunst des Überlebens wie auch die Kunst des Ausdrucks zeugen bereits von der vitalen Bedeutung für die individuelle Gesundheit.
Es ist erstaunlich, dass es bis zum Dezember des Jahres 2022 dauerte, bis sogenannte Experten bei einem Treffen der WHO-Region Europa die besondere Rolle der Künste bei präventiven Gesundheitsthemen „entdeckten“. Die Zusammenhänge sind seit Jahrhunderten bekannt und füllen literarische Bibliotheken, und das gänzlich ohne Transparenzleitlinien. Die gesundheitlichen Lebensumstände bei Persönlichkeiten wie Vincent van Gogh, Ludwig van Beethoven, Frida Kahlo oder Joseph Beuys seien hier beispielsweise genannt. Die tägliche Praxis von Musik-, Tanz- und Malereitherapeutinnen und psychologisch Tätigen beweist deren dringliche Notwendigkeit und Wirksamkeit. Insbesondere die anthroposophischen Bereiche der Kunsttherapien, welche u.a. in Kliniken zur begleitenden Krebstherapie eingesetzt werden, oder visualisierende Verfahren wie das katathyme Bilderleben liegen nicht nur im Präventionsbereich, sondern stellen ganz eigene Behandlungsformen bei manifesten Erkrankungen dar. Eine Begrenzung auf nicht-übertragbare Krankheiten ist m.E. fragwürdig: Warum sollten infizierte Patientinnen und Patienten nicht davon profitieren?
Auch und gerade die WHO-Europe wird jedoch nicht jede Feld-Wald-und-Wiesen-Kunst in ihre propagierten Präventionsmaßnahmen aufnehmen. Nein, es geht um „kunstbasierte Aktivitäten“. Dies kommt dem berühmt-berüchtigten Ausgrenzungsbegriff „evidenz-basiert“ sehr nahe und lässt erforderlichen Dokumentations- und Zertifizierungszwang erahnen. „Kunst-basiert“ ist vermutlich eben keine echte Kunst, sondern wird zu Kunsthandwerk? Der weltweite Ruf nach einem „ONE HEALTH-Ansatz“ lässt die Einrichtung von Expertengruppen und Forschungsprojekten als notwendig erscheinen. Die WHO-gemäße „kunst-basierte“ Präventionsmaßnahme bei NCD könnte ihre Zukunft als evidenz-basierte „Body+Mind-Prävention“ innerhalb des staatlichen Gesundheitssystems finden.
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