”Gemeinsam für eine einheitliche Traditionelle Europäische Medizin“
Die Traditionelle Europäische Medizin (TEM) auf dem Weg zu einer europäischen Repräsentanz?
Eine Woche lang ging es ausschließlich um „Traditionelle Europäische Medizin“: Im fünf-tägigen Online-Forum, in der gut besuchten hybriden Tagung am Samstag in der Stiftsbibliothek des Klosters und ganz praktisch am Sonntag im Botanischen Garten des historisch bedeutsamen, circa 80 000 Einwohner zählenden Städtchen St. Gallen. Das Präsidium des TEM-Forum, Dr. Karl-Heinz Steinmetz, Christina Thum und Louis Hutter, hatte es sich zur Aufgabe gemacht, sowohl die Jahrhunderte währende Geschichte, das kulturelle Erbe, als auch die gegenwärtige Situation in sieben europäischen Staaten und dem Iran zu präsentieren.
So stellten sich im Vorfeld der Tagung im Online-Forum aktive Anwender und Anwenderinnen und ihre Diagnoseverfahren und Behandlungsmethoden dem Publikum. Zur Fachtagung am Samstag fanden sich zahlreiche Teilnehmer und Teilnehmerinnen aus acht Ländern ein, darunter auch aus Liechtenstein. Los ging es mit der Begrüßung durch die Präsidiumsmitglieder, einer einleitenden Standortbestimmung und den heutigen Herausforderungen für das eigenständige Heilsystem der TEM in Europa. Besonderer Wert wurde darauf gelegt, dass die europäische Dimension eine andere ist. Die jeweiligen nationalen und regionalen Gegebenheiten sind sehr unterschiedlich und werden voll respektiert. Um dies zu vertiefen erhielt ich die Gelegenheit in meiner Power-Point die gegenwärtige Situation der T&CM im Allgemeinen und der TEM im Besonderen darzulegen. Ein Schwerpunkt lag in der Vorstellung relevanter gesundheitspolitischer Bereiche und deren Akteure auf globaler und europäischer Ebene.
Der Gastgeber der Tagung, Stiftsbibliotekar Cornel Dora, verwies auf die 1250 Jahre Tradition der Bibliothek vom Kloster St.Gallen. Seine wissenschaftliche Arbeit ist unter anderem in seinem Buch „Abracadabra-Medizin im Mittelalter“ nachzulesen.
Sybille Binder (IG-TEN) gelang es auf einzigartige Weise das Ausbildungskonzept eines Naturheilpraktikers für TEN in der Schweiz darzustellen. Besonders interessant war für mich die Prüfungsbewertung in drei verschiedene Wertigkeiten aufzuteilen, um so eine Qualität nachzuweisen.
Thomas Spies, Heilpraktiker in Deutschland, stellte die Situation der TEM in Deutschland vor und verwies auf die Schwierigkeiten durch latente Angriffe der Skeptiker-Ideologen. Erschwerend komme hinzu, dass neben dem Kürzel TEM auch Bezeichnungen wie Traditionelle Europäische Naturheilkunde oder auch Traditionelle Abendländische Medizin verwendet würden.
Milena Simeoni, die bekannte Leiterin des SALUS-Netzwerkes, stellte die dringende Notwendigkeit einer interdisziplinären Gesundheitsarbeit in Italien in den Vordergrund, stellte eine mangelnde Zusammenarbeit der Beteiligten in Italien fest und betonte den Aspekt einer mediterranen TEM – TEMM. Im Anschluss formulierte Maud Joliat (IG-MTE) den hippokratischen Anspruch für die TEM in der französischen Schweiz und Frankreich.
Prof.Dr. Annette Kerckhoff von der Hochschule für Gesundheitspädagogik in Berlin stellte „Frauen in der Naturheilkunde“ vor (Buchtip!), darunter Grete Flach aus Gründau und Magdalena Madaus.
Romana Drobec, BSc, (Optikermeisterin) verwies darauf, dass der Begriff „ TEM“ in ganz Österreich bereits fest etabliert ist. Der Begriff der Traditionellen Europäischen Heilkunde, TEH, sei eine regionale Bezeichnung, deren Heilwissen von der UNESCO-Österreich als immaterielles Kulturerbe anerkannt sei.
Shahrzad Irannejad, zurzeit in Mainz tätig, und in enger Zusammenarbeit mit dem Orient-Institut in Istanbul, verblüfte mit der Feststellung, dass die Traditionelle Iranische Medizin, besser Persische Medizin, heutzutage fester Bestandteil an den Universitäten des Iran ist. Dort wird auf universitärem Niveau an einer Standardterminologie für Persische Medizin gearbeitet.
Pavla Vackova (tem-peratio) berichtete aus Tschechien, dass der Begriff TEM, Traditionelle Europäische Medizin, völlig unbekannt sei. Weiterhin wird eine enge Verbindung zur christlichen Klostermedizin eher negativ gesehen. Sie verwies in diesem Zusammenhang auf die slawischen Wurzeln, und stellte fest, dass die chinesische Medizin, die TCM, ein besseren Stand hat.
Die anschließende Round-Table-Diskussion behandelte Themen wie die zukünftige Vernetzung, weiterführende Veranstaltungen, möglichen Publikationen und eines e-Journals, inhaltlichen Fragen zu einem gemeinsamen Sprachhorizont und möglicher Harmonisierung, sowie der Öffentlichkeitsarbeit und mögliches gesundheitspolitisches Auftreten. Nach kurzem Anreißen dieser Themen wurde klar, dass dies viel Arbeit bedeutet und die Anwesenden wurden gebeten sich zahlreich zu beteiligen.
Die Fachvorträge am Sonntag im Botanischen Garten von St.Gallen bildeten ein breites Methodensprektrum der TEM ab. Jens Bomholt, praktizierender Naturheilpraktiker für TEN in St.Gallen, moderierte diesen Tag und verwies in seinem eindrucksvollen Vortrag auf die nun schon 3200 Jahre andauernde Geschichte der TEM. Das von ihm entwickelte Schaubild wird demnächst mit seiner Genehmigung auf der ANME-Webseite ein gepflegt (siehe dazu auch: Walahfried Strabo-Hortulus-Reclam Verlag).
Die technische Leiterin Christina Thum und ihr Team versicherten, dass die Filmaufzeichnungen aller Beiträge, die vom PR-Team des österreichischen Vereins „Silberschnur“, spezialisiert auf mediale Verbreitung von traditionell europäischem und ganzheitlichem Heilwissen, erstellt wurden demnächst online zugängig gemacht werden. Die eigens eingerichtete Webseite des TEM-Forums ermöglicht einen guten Überblick und soll in der Zukunft weiter ausgebaut werden, um u.a. das Folgetreffen, das 2. TEM-Forum am 24. Juni 2024 in Wien vorzubereiten.
Kommentar und Einschätzung:
Für ANME ist die Unterstützung solcher Initiativen auf europäischer Ebene ein Satzungsauftrag, den wir hiermit gerne erfüllen. Diese Initiative in Form eines informellen Forums könnte in eine echte politische Vertretung der TEM auf europäischer Ebene, ob als Dachverband oder Fachgesellschaft, münden. Jedoch, auch dies kam deutlich hervor, der Unterschied in Bezug auf einen existierenden TEM-Beruf in der Schweiz und einem möglichen Beruf in Tschechien zeigt, wie groß die Unterschiede der nationalen Gegebenheiten sind - und dies ist nur ein Beispiel. Ob das Präsidium in der Lage und/oder willens ist, zeitnah ein rechtlich relevantes formelles Format zu erreichen? Es wäre schon nötig. Dieses erste Kick-off-Treffen gibt Anlass zu großer Hoffnung!